Forensikstudium ganz nah am echten Fall

Forensikstudium ganz nah am echten Fall

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Angehende Forensiker präsentieren Fallanalysen zum Heilbronner Polizistenmord.

Professor Dirk Labudde ist einer der Juroren für die Fall-Poster der Forensik-Studentinnen und -Studenten.
Professor Dirk Labudde ist einer der Juroren für die Fall-Poster der Forensik-Studentinnen und -Studenten.

Es ist der 25. April 2007. Mehrere Schüsse fallen. Einer davon trifft die Polizistin Michèle Kiesewetter tödlich, eine weitere Kugel verletzt deren Kollegen Martin Arnold lebensgefährlich. Der Mordfall auf der Heilbronner Theresienwiese beschäftigt viele Jahre verschiedene Ermittlungsbehörden – seit 2011 die Bundesanwaltschaft, weil das Verbrechen im Zusammenhang mit der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gesehen wird.

In den vergangenen Wochen hat der Fall auch die Studentinnen und Studenten des vierten Semesters im Studiengang Allgemeine und Digitale Forensik der Hochschule Mittweida beschäftigt. Grundlage waren aber nicht Presseberichte, sondern Originaldokumente der Ermittlungsbehörden: Den Studierenden standen Auszüge aus der Fallakte unter anderem mit den Protokollen der Zeugenaussagen zur Verfügung.

Mitte Juli präsentierten sie ihre Ergebnisse als wissenschaftliche Poster-Session. In Gruppen entstanden elf Poster, die die Hypothesen zum möglichen Tathergang visualisieren. Am realen Fall von Michèle Kiesewetter und Martin Arnold haben die Studentinnen und Studenten Beziehungen zwischen einzelnen Hinweisen und Spuren dargestellt und einen zeitlichen Verlauf des Tathergangs modelliert. Im Gespräch mit einer Jury aus Forensiken, Informatikern und Mathematikern der Hochschule konnten die Gruppen ihre Hypothesen und Erkenntnisse der Fallanalyse erläutern.

Auszüge aus der Fallakte lieferten die Information für die Fallanalyse.Die Hypothesen zum Tathergang werden diskutiert.

Eine moderne Fallarbeit beginnt mit der Formulierung von Hypothesen, die falsifiziert bzw. verifiziert werden müssen, also mit einer Annahme über einen kausalen Zusammenhang über den Tathergang, die als falsch oder richtig bestätigt werden muss. Einzelne Spuren und Hinweise werden durch sogenannte Assoziationen verknüpft und bilden eine Ontologie. In der Ontologie wird die logische Struktur sichtbar, der eine gute Hypothese folgen muss. Gerade bei den Massen von Daten („BigData“), die heutzutage bei Straftaten anfallen und ausgewertet werden, sind solche Visualisierungsmethoden und Analysekonzepte unerlässlich.

Die Ontologie als Netzwerk zum Beispiel von Personen enthält sogenannte Semantiken, das heißt die Beschreibung der Bedeutung jeder einzelnen Person. Das ist im Prinzip nichts anderes, als eine  Aufstellung von Personen und deren Beziehungen zueinander, wie sie in Form von Stecknadeln und Fäden aus Fernsehkrimis bekannt ist.

Poster visualisieren die Hypothesen.Recherche und Detailarbeit für die Postererstellung sind dokumentiert.

Diese  Hypothesenentwicklung als Grundlage für die Fallbearbeitung und Fallanalyse ist Schwerpunkt im Studienmodul Allgemeine Forensik IV im Studiengang „Allgemeine und Digitale Forensik“.

Gut kombiniert: Forensik studieren in Mittweida

Der Mittweidaer Studiengang „Allgemeine und Digitale Forensik“ kombiniert deutschlandweit einmalig alle Felder der Informatik im Umfeld der Forensik – er befasst sich sowohl mit Cybercrime als auch mit Daten, die bei „klassischen“ Verbrechen entstehen. Die Absolventinnen und Absolventen beherrschen die Methoden und Verfahren, diese Daten für eine mögliche Strafverfolgung zu erheben, zu sichern und auszuwerten und die notwendigen Informationen abzuleiten. Dazu vermittelt der Studiengang umfangreiche Informatikkenntnisse.

Text und Fotos: Helmut Hammer