Wie viel Digitalisierung braucht die Demokratie? Wie viel Digitalisierung erträgt die Demokratie?

Wie viel Digitalisierung braucht die Demokratie? Wie viel Digitalisierung erträgt die Demokratie?

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Mehr als Wahlempfehlungen auf Youtube – Der Dialog Kontrovers am 22. Mai packte das Thema grundlegender an.
Thema am 5. Juni: Digitalisierte Bildung.

Wie verträgt sich die Demokratie mit der Digitalisierung. Dialog Kontrovers mit drei Diskutanten: Christoph Meißelbach, Matthias Trénel und Janis Brinkmann; moderiert von Stefan Busse (v.l.).

Demokratie gilt, zumindest unter ihren Befürworten, als die menschlichste Staatsform, weil sie Gerechtigkeit, Teilhabe, Freiheit und gesellschaftliche Verständigung über Interessengegensätze vereint. Was bewirkt ihre zunehmende Digitalisierung in Zeiten der „Klick“-Demokratie? 

  1. Sie führt zur Demokratisierung der Demokratie, weil sie direkter und unmittelbarer Formen der Bürgerbeteiligung ermöglicht. Sie vitalisiert die Demokratie, weil diese in ihren parlamentarischen Routinen erstarrt ist.
  2. Sie gefährdet die Demokratie, weil sie Polarisierung befördert und gesellschaftliche Konsensbildung verhindert, die Wahrheit unter Fake News und Lügen begräbt, die Verbreitung populistischer Kräfte befördert und die demokratische Kultur als Zivilisationsleistung zerstört.
  3. Sie beschleunigt und spiegelt Zerfallsprozesse der Demokratie, die ohnehin stattfinden. Fake News, Social Bots, Big Nudging etc. sind nur die Spitze eines Eisberges, der die offene Gesellschaft bedroht.

Diese Thesen steckten den Rahmen ab, indem sich der fünfte Dialog Kontrovers, moderiert von Prof. Dr. Stefan Busse, am 22. Mai entspann. Drei Diskutanten speisten ihre Expertise pointiert ein: Der Politologe Dr. phil. Christoph Meißelbach von der TU Dresden, der Diplom-Psychologe Matthias Trénel als Geschäftsführer der Agentur für crossmediale Bürgerbeteiligung „Zebralog“ in Berlin und Prof. Dr. Janis Brinkmann, Professor für Publizistik in der digitalen Informationswirtschaft an der Hochschule Mittweida.
Hier stießen nicht einfach Meinungen aufeinander, sondern es verschränkten sich Argumente, welche die Digitalisierung für die Demokratie nach ihren Risiken und Chancen abklopften. Mattias Trénel relativierte die skeptische These von Christoph Meißelbach, wonach die digitalisierte Demokratie Menschen an den Rand des anthropologisch Mach- und Zumutbaren bringe und archaische Muster unzivilisierten Gruppenverhaltens und abwehrender Identitätsverteidigung aktiviere, um Unüberschaubarkeit zu kompensieren.



Trénel konnte seine Erfahrungen aus moderierten Projekten digitaler Bürgerbeteiligung entgegenhalten, die zeigen, wie digitale Räume von Selbstwirksamkeit und Teilhabeerfahrung eröffnet werden können. Die Digitalisierung unterstütze hier den Trend zum „mündigen Bürger“, indem sie die Zugangsschwelle zu Information und öffentlichem Diskurs deutlich herabsetze.

Janis Brinkmann brachte die klassischen Medien ins Spiel, die bislang als ein zentraler Player in der Demokratie eine wichtige Rolle im demokratischen Diskurs gespielt hätten. Welche Aufgabe kommt ihnen unter den Bedingungen der Digitalisierung zu? Wie können sie ihrer Rolle als vierte Gewalt im Staate (weiterhin) unabhängig und kritisch zwischen Lügenpresse-Vorwurf und einer Taktvorgabe der schnellen Erregung und des bloßen Meinens nachkommen? Welche korrektive Rolle kann und muss hier weiterhin die gut recherchierte Geschichte und die kritische Quellensicht haben?
Insgesamt mündete die Diskussion in der Frage, wie eine Mischung aus individueller Medienkompetenz, Selbstkontrolle der großen Plattformen und staatlicher Regulierung die digitale Welt zu einem zivilisierten und demokratischen Ort machen können.

Thema am Mittwoch: "Digitalisierte Bildung zwischen Euphorie und Skepsis"

Gleichsam selbst zum Gegenstand wird die Hochschule mit dem Dialog Kontrovers am Mittwoch, dem 5. Juni. Denn der digitale Wandel verfügt über das Potential, auch unsere Bildungseinrichtungen sehr grundlegend zu verändern – sowohl in organisatorischer als auch in pädagogischer Hinsicht. Die Frage ist nur wie so oft, ob zum Besseren oder zum Schlechteren. Von individuellen Lernzugängen und zeitgemäßen Methoden der datengestützten Förderung schwärmen die Befürworter. Vor der Transformation unserer Schulen in Lernfabriken und „digitaler Demenz“ (Spitzer, 2012) warnen die Kritiker. Wer hat Recht, wie sinnvoll sind die aktuellen Digitalisierungsbemühungen der Bildungspolitik und was brauchen Lernende und Lehrende wirklich?

Darüber diskutieren am 5. Juni: Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim (Professor für Allgemeine Pädagogik, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Universität Leipzig), Prof. Dr. phil. Ralf Lankau (Professor für Mediengestaltung und -theorie, Fakultät Medien und Informationswesen, Hochschule Offenburg) und  Prof. Dr. rer. oec. Volker Tolkmitt (Prorektor für Bildung, Hochschule Mittweida). Angehörige aller Fakultäten sowie Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen mitzudiskutieren.

Die Veranstaltungen der Reihe "Dialog Kontrovers" werden live gestreamt und können (fast alle) auch nachgesehen werden.Zeit und Ort:Mittwoch, 5. Juni, von 18:15 bis 20:15 Uhr im Studio B, Grunert-de-Jácome-Bau der Hochschule Mittweida (Am Schwanenteich 4b, barrierefrei zugänglich). Die Plätze im Studio B sind begrenzt. Alle Veranstaltungen sind aber auch im Live-Stream zu verfolgen auf „Kanal EINS – Hochschule Mittweida Aktuell“.

Bitte beachten: Am 19. Juni ist kein Dialog Kontrovers. Die letzte Veranstaltung der Reihe in diesem Semester findet am 26. Juni statt, dies nicht wie ursprünglich angekündigt auf der Landesgartenschau Frankenberg, sondern wie gewohnt im Studio B der Hochschule Mittweida.

Alle Termine, Themen und weitere Informationen sowie Links zu den Aufzeichnungen finden sich stets aktuell hier: www.hs-mittweida.de/dialog-kontrovers