Neues Leben im alten Laden

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Projekt „Soziales Unternehmertum“ der Hochschule Mittweida lockt Bürger und Gäste der Hochschulstadt in „den Laden“.

Drei Wochen stand der Laden auf der Rochlitzer <br>Straße 59 für die Mittweidaer Bürger als <br>Begegnungsstätte offen.

"Laden zu vermieten." - Wieder hängt der Zettel im leeren Schaufenster. Doch Ende des vergangenen Jahres war für einige Zeit Leben eingezogen in das ehemalige Spielwarengeschäft in der Rochlitzer Straße 59 in Mittweida. Zu kaufen gab es nichts. Stattdessen die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen, Bekanntschaften zu schließen und gemeinsam aktiv zu sein. Diesen Ausgleich in einer arbeitsreichen Woche boten Studentinnen und Studenten der Fakultät Soziale Arbeit den Mittweidaern.

Über ein halbes Jahr arbeitete das studentische Team um Katrin Naumann an dem Projekt „Soziales Unternehmertum“. Ausschlaggebend war der Hochschulwettbewerb „Zeigt Eure Forschung“ des Wirtschaftsjahres 2018. Das Mittweidaer Team von Katrin Naumann, Laura-Marie Schilde - beide Fakultät Soziale Arbeit - und Dr. Frank Schumann von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen konnte sich neben 14 anderen Projekten unter 150 Mitbewerbern durchsetzen. Mit der Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) konnten die Preisträger ihre Projekte finanzieren.

Ziel von „Soziales Unternehmertum“ war, die Fakultäten Wirtschaftsingenieurwesen und Soziale Arbeit mehr zusammenzubringen und kreative und innovative Ideen von und mit Studenten zu entwickeln. Durch Aufrufe auf sozialen Netzwerken, Plakaten oder in Informationsveranstaltungen versammelte sich eine interessierte Studentenschaft, die maßgeblich zum Projekt beitrugen.

Ideen konnten interessierte Studenten auf der Plattform Konzept!ON loswerden. Dort kann jeder kreative Kopf Konzepte und Geschäftsideen vorstellen und diese von anderen Usern bewerten lassen. Jedoch werden die Ideen statt mit Geld durch Kritiken, Verbesserungsvorschläge und Unterstützungsbekundungen belohnt. Die drei Gewinnergruppen der Abstimmung, Masterstudentinnen und -studenten der Sozialen Arbeit, konnten dann schließlich den „Laden“ vorbereiten.  

Am 1. Oktober nahm das Team den Schlüssel für das leerstehende Ladengeschäft auf der Rochlitzer Straße 59 entgegen. Dort sollte für die nächsten Wochen eine Begegnungsstätte für alle Bürger, Studenten und Gäste von Mittweida entstehen. „Die Idee war, die Straßen Mittweidas zu beleben“, sagte Professor Stephan Beetz, Dekan der Fakultät Soziale Arbeit. Und schon vor dem eigentlichen Start des Projektes zeigten die Mittweidaer reges Interesse. Während die Studenten das Ladengeschäft einräumten und die erste Themenwoche vorbereiteten, schauten schon einige Passanten vorbei und begrüßten das Projekt. "Wir wollen alle Teile der Bevölkerung von Mittweida ansprechen. Es soll dabei keiner ausgeschlossen werden", so die Masterstudentin Katja Mehlhorn. 

Zeitreise in den Osten

Am 22. Oktober öffnete der „Laden“ das erste Mal seine Türen. Die studentische Gruppe um Irene Hennig läutete an diesen Abend mit der Galerieausstellung „Voll der Osten“ des Fotografen Harald Hauswald die erste Ladenwoche ein.

Harald Hauswald ist durch seine Alltags- und Berlinfotografien in den 1980er Jahren sowie als bedeutender kritischer Chronist der Endzeit der DDR bekannt. Er reiste extra für diesen Abend aus Berlin an und berichtete über seine Erfahrungen als Fotograf, über die Möglichkeiten und Einschränkungen in der DDR und seinen Weg zur Portraitfotografie. Schnell füllte sich der Laden mit vielen Interessierten– darunter die Eigentümer des ehemaligen Ladens, Freunde sowie Studenten und Professoren. Neben Hauswalds Zeit in der DDR diskutierten die Gäste auch heutige Trends wie Selfies und Instagram mit dem Fotografen.

Vier Tage stand die Galerie zur Besichtigung offen. Abschluss der ersten Woche war ein Akustikkonzert der Musiker Udo und Chriki, Mitglieder der Bands Thor und Nessaja. Neben ihrem musikalischen Beitrag berichteten die beiden auch über ihr Lebensgefühl als Musiker. Vor allem Gitarrist Udo konnte als ehemaliges Mitglied einer DDR-Rockband und Zeitzeuge der Wende wertvoll zur Diskussion beitragen.

Gemeinsam aktiv

Woche zwei stand unter dem Motto: „einLADEN-Generationen.Begegnungen.Aktionen“ und wurde von den Studenten mit Freizeitveranstaltungen für alle Altersklassen gestaltet. Neben Kinderschminken, einem Karatekurs, einem Tischkicker-Turnier standen auch Yoga- und Trommelkurse für Senioren auf dem Plan. Erik Broszeit, der neben seinem Studium als Kita-Leiter in Chemnitz arbeitet, lud eine Kindergartengruppe zum Spielen und Experimentieren in den Laden ein.

Als Wochenhighlight erstellten Gäste im Laden gemeinsam ein Holzpuzzle. Die Puzzleteile, auf die die Besucher Wünsche und Vorschläge zur Verbesserung und Verschönerung der Stadt Mittweida schrieben, ergaben dann am Ende einen bunten Baum.

Außerdem fungierte der Laden als Station des Stadtspaziergangs zum Thema „Steh-Auf-Geschichten – aus Mittelsachsen“, ausgerichtet vom Müllerhof e.V., einem soziokulturellen Zentrum in Mittweida.

Gepuzzelte Wünsche

Die Abschlusswoche des Projekts „Soziales Unternehmertum“ stand voll im Zeichen des Spielens, in allen Varianten und Formen: Brettspiele, Gesellschaftsspiele, Computerspiele, Logikspiele, Geschicklichkeitsspiele und viele mehr. An drei Tagen konnten die Besucher auf ganz unterschiedliche Art und Weise spielen.

Katja Mehlhorn, Erik Broszeit und Samantha Uhlig übergaben das mit den Wünschen und Vorschlägen der Mittweidaer zusammengestellte Puzzle an Oberbürgermeister Ralf Schreiber. Die Bürger und Studenten wünschen sich besonders eine Begegnungsstätte, wie sie der Laden vorübergehend bot. Auch dass mehr Projekte zwischen Hochschule und Stadt entstehen. "Ich denke, die Etablierung eines Ladens gemeinsam mit der Hochschule wäre machbar, dazu können wir ins Gespräch kommen", sagte Ralf Schreiber. Auch ein Spätbus und kostenfreie Parkplätze wurden von den Bürgern gewünscht. Aufmerksam betrachtete der Oberbürgermeister jedes einzelne Puzzleteil mit den Vorschlägen. Einige der Wünsche seien bereits in Arbeit und andere sollen in den Stadtratssitzungen angesprochen werden, so das Stadtoberhaupt.

Nachdem am Montag viele der mitgebrachten Spiele auf dem Programm standen, veranstaltete das Team am Dienstag ein Ladenquiz. Bei abwechslungsreichen sechs Runden konnten die zahlreichen Gäste in Dreierteams nicht nur ihr Wissen, sondern auch ihren Geschmackssinn und ihr Gehör testen. Ein letztes Mal wurde der Laden für eine öffentliche Probe des Frauentheaters des Müllerhofs geöffnet. In gemütlicher Atmosphäre bei Tee und Keksen gab die Theatergruppe Einblick in ihre Aufwärm- und Lockerungsübungen. 

Gern wieder!

In den drei Wochen, in den der Laden Gäste empfing, hatten alle Besucher die Möglichkeit, auf einem Evaluationsbogen die einzelnen Veranstaltungen und Angebote zu bewerten. Alle Teams und die Organisatoren konnten sich über ausschließlich positives Feedback freuen.

141 Gäste besuchten in den drei Wochen den Laden. Die meisten kamen zur Galerieeröffnung mit dem Fotografen Harald Hauswald. Viel Lob, und auch einige Verbesserungsvorschläge wie eine Kooperation mit dem Städtischen Gymnasium Mittweida sammelten sich an. Unter der Rubrik „Was wollen Sie noch sagen?“, wünschten sich die Menschen hier vor allem mehr Angebote für Kinder und Jugendliche, wie sie auch im Laden stattfanden.

"Es wäre natürlich schön, wenn wir das Projekt auch fakultätsübergreifend fortsetzen könnten und so noch mehr den Austausch zwischen Studierenden der unterschiedlichen Fakultäten fördern könnten. Die Studierenden äußerten auch den Wunsch, diese Form des Lernens als Bestandteil in das Studium zu integrieren", sagte Katrin Naumann nach Abschluss der Ladenwochen. "Es sind natürlich auch Gespräche mit der Stadt angedacht. Einen ersten Austausch gab es auch schon mit Professor Beetz. Wir wollen weiterhin eine Schnittstelle für den Austausch zwischen den Studenten und Bewohnern Mittweidas schaffen."

Text: Lisa Prudnikow
Fotos: 1-2 Helmut Hammer; 3-6 Lisa Prudnikow