Vielfalt als Chance und Herausforderung

Vielfalt als Chance und Herausforderung

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Ringvorlesung vergangene Woche über gesellschaftliche Vielfalt - diese Woche über internationale Alternativen für wiederkehrende Schuldenkrisen.

Die Ringvorlesung ist öffentlich und findet<br>jeden Mittwoch im Zentrum für Medien<br>und Soziale Arbeit statt.

Gudrun Ehlert, Professorin für Sozialarbeitswissenschaft an der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida, widmete sich in der 11. Veranstaltung zur Ringvorlesung der gesellschaftlichen Anerkennung von Vielfalt als konkrete Utopie.

Wie brisant und aktuell das Thema ist, wusste  jeder Zuhörer im Hörsaal, weil es sich medial oder ganz praktisch in Form der Flüchtlingssituation nahezu aufdrängt. Weniger bekannt dürfte den meisten gewesen sein, dass immerhin initiiert durch BP, Daimler, Deutsche Bank und Deutsche Telekom seit 2006 die Charta der Vielfalt der Unternehmen in Deutschland „Diversity als Chance“ ins Leben gerufen worden ist. Über 2 250 Unternehmen und öffentliche Einrichtungen haben sie inzwischen unterzeichnet und sich dazu verpflichtet, Vielfalt als Chance in Unternehmen und Institutionen zu fördern, Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsstrategien zu entwickeln, um Vorurteile abzubauen und Gerechtigkeit am Arbeitsplatz zu steigern. - also etwas immer noch Utopisches konkret werden zulassen.
Trotz solcher erfreulicher Initiativen bleibt die übergreifende Frage mehr als offen: In welcher Gesellschaft wir leben wollen und mehr noch - wir leben werden! Wird sich Deutschland zum Beispiel im Jahr 2035 entweder „altdeutsch, abgeschottet, patriarchalisch und aufgerüstet“ oder „alt- und neudeutsch, offen, konfliktfreudig und selbstbewusst“ zeigen? So zwei mögliche Szenarien.

Um den Zusammenhang zwischen Unterschiedlichkeit und Ungerechtigkeit von Menschen  - sei es bezüglich des Geschlechts, der Herkunft, der Generation, der sexuellen Orientierung, der Religion oder der Hautfarbe – auch theoretisch begreifbarer zu machen, gab Gudrun Ehlert Einblicke in die aktuelle soziologische Ungleichheitsforschung.
Die übergreifende Frage oder auch das schwer zu lösende Rätsel ist, warum und wie aus der Verschiedenheit von Menschen immer wieder Ungleichheit resultiert und daraus schließlich Ungerechtigkeit wird. Wie sich an den tatsächlichen aber auch vermeintlichen Unterschieden von Menschen entlang im gesellschaftlichen Alltag immer wieder Fragen auftun wie: „Wem steht etwas zu?“, „Wer gehört dazu“, „Wem wird etwas eingeräumt oder entzogen“, „Wer weist wem Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten zu“? Kurz: Warum generiert eine Welt des Unterschiedes immer wieder eine Welt von Hierarchie, Diskriminierung und Privilegien und damit von Ungerechtigkeit? Und warum verfestigt sich dies so zu Ungleichheitsverhältnissen?
Die Antworten darauf sind, das machte der Vortrag deutlich, nicht einfach und auch nicht einfach zu verstehen, weil die soziologische Theorie hier inzwischen viel an begrifflicher Klugheit angehäuft hat, die es auch immer wieder in den Alltag und das Alltagsdenken hinein zu verflüssigen gilt. Wie groß die Kluft oder auch Spannung hier sein kann, zeigt eine schlichte und nicht unberechtigte Frage aus dem Publikum, wer denn die Sprachkurse für Flüchtlinge eigentlich bezahlen solle...

Am Ende der Diskussion wurde jedoch eines deutlich(er): Wer Vielfalt bzw. Diversity als Ressource und Chance zu entdecken weiß, muss die Bereitschaft zum Verzicht auf reale Privilegien und manche mentale Selbstverständlichkeit aufbringen. Wer jedoch Anderssein als Bedrohung und eben nicht als Vielfalt wahrnimmt oder wahrnehmen kann, verzichtet auf mögliche, nicht garantierte Bereicherung und Entwicklung. “Understand what is, Imagine what could be, Create what will be” bleibt die Herausforderung.

Nächste Vorlesung: Alternativen für wirtschaftliche Krisenländer

Die Griechenland-Krise, die Europa seit 2010 in Atem hält, weist viele Merkmale der Krisen auf, die Entwicklungs- und Schwellenländer in den 1980er und 1990er Jahren durchlebten. Und auch die Rezepte der Gläubiger für die Krisenbewältigung ähneln denen, die damals der so genannten Dritten Welt ein "verlorenes Entwicklungsjahrzehnt" bescherten. Jürgen Kaiser wird in der Ringvorlesung am Mittwoch Alternativen erklären, die vielerorts diskutiert werden: in der UNO, im IWF, unter führenden Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen - und nicht zuletzt auch in den sozialen Bewegungen der betroffenen Länder.

Diese nächste Vorlesung: "Internationales Insolvenzverfahren für Staaten in wiederkehrenden Schuldenkrisen" findet am Mittwoch, dem 15. Juni, um 18:15 Uhr im Hörsaal 39-041 (Peter Schütt Hörsaal) im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit (Bahnhofstraße 15) statt. An der linken Gebäudeseite ist ein barrierefreier Zugang.