Zukunftsstadt für alle

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Hochschule, Stadtverwaltung und Bürger gestalten gemeinsam die Zukunft der Hochschulstadt. Ideenaustausch beim 2. Zukunftsforum.

Die Zukunft der Hochschulstadt ist auch eine<br>Sache von Studenten: Studierende des Zukunftsstadt-<br>Teams vor dem Kino Filmbühne in Mittweida

Das 2. Zukunftsforum Mittweida gestern ging ins Herz der Stadt: Mit verschiedenen Veranstaltungsorten entlang der Rochlitzer Straße verfolgte es das Ziel, selbst etwas zur Belebung der Innenstadt beizutragen. Die rund 100 Besucher erlebten dabei einen Abend mit interessanten Impulsen aus anderen Städten, konstruktiven Diskussionen in den Workshops und einem gemütlichen Beisammensein beim Wintergrillen und dem Auftritt der Coverband „Brothers of Feinripp“.

Bühne für gute Beispiele aus der Praxis

Der erste Teil des 2. Zukunftsforums in der Filmbühne Mittweida stand unter dem Motto „Von guten Beispielen lernen“. Oberbürgermeister Ralf Schreiber betonte in seiner Eröffnungsrede noch einmal die Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns für die Zukunft der Stadt.

Wie es gehen kann, Innenstädte nicht aussterben zu lassen, erläuterten zwei Input-Vorträge mit erfolgreichen Ideen aus anderen kleinen und mittelgroßen Städten.
Zunächst erläuterte Pierre Menestriére von der IHK Ostthüringen in Gera den Wettbewerb „IHK Gründungsinitiative für Innenstädte“. Ziel des Wettbewerbs ist es, Innenstädte wirtschaftlich zu beleben und attraktiver zu gestalten. Dazu werden potenzielle Gründer aufgerufen, Geschäftsideen einzureichen, die dann von einer Jury bewertet werden. Der Gewinner erhält ein „Komplett-Unterstützungspaket“, das neben einem Preisgeld auch eine Ladengestaltung und Werbung bei Projektpartnern enthält. Menestriére betonte, dass solch eine Initiative nur mit einem Netzwerk aus vielen Partnern für die Unterstützung von Gründern funktioniere -  von der Bank über die Handwerkskammer, den Ladenbauer, den Radiosender bis zum Vermieter der neuen Geschäfträume.

Von der Existenzgründung ging es anschließend zur Rolle der Kultur für die Stadtentwicklung. Mit dem Projekt „Guten Morgen, Eberswalde“ erklärte Dr. Stefan Neubacher, Leiter des Kulturamtes der Stadt Eberswalde, wie man mit einem vielfältigen und regelmäßigen Kulturangebot den Blick der Bürger auf ihre eigene Stadt verbessern kann. So habe die Stadt mit unkonventionellem Mitteln wie der „Kulturküche“ unterschiedliche Akteure zusammengebracht, um sich über mögliche Projekte auszutauschen. Aber auch der Etat für Kultur sei erheblich erhöht worden. So habe man in den vergangenen Jahren ein gutes Klima für Kultur in der Stadt erzeugen können, das auch von außen wahrgenommen werde. „Mehr Menschen haben Spaß an Kultur, verstehen sich selbst als Kulturschaffende.“ Neben dem Angebot durch die Behörden, unkompliziert Unterstützung für Kulturschaffende anzubieten, findet in Eberswalde seit der Neugestaltung des Marktplatzes im Jahre 2007 jeden Samstag „Guten Morgen, Eberswalde“ statt. Für Dr. Neubacher ist dies das „wunderbarste Beispiel für das Setzen auf Kultur“. Jeden Samstag um 10:30 Uhr lockt ein abwechslungsreiches Programm von lokalen Akteuren und professionellen Künstlern Menschen in die Stadt und dient als Auftakt, die Menschen in der Stadt zu halten, um dort einzukaufen und einzukehren.

Workshops im Zentrum der Stadt mit konkreten Vorschlägen für eine bessere Zukunft

Von der Filmbühne gingen die rund 100 Teilnehmer des Zukunftsforums in einen der drei Workshops entlang der Rochlitzer Str: in den T9, die Begegnungsstätte 1865 sowie den temporären „Sonderbuch-Verkauf“.

Beim Workshop „Gründerklima & Co. – Mittweidas neue Wirtschaft“ unter Leitung von Oberbürgermeister Ralf Schreiber und Professor Jan Schaaf ging es vor allem um die Unterstützung für Gründerinnen und Gründer in der Stadt.
Ein Wunsch war unter anderem, dass Ansprechpartner deutlicher erkennbar sein sollten. Dabei wurde das „Mittweidaer Gründer-Checkheft“ angesprochen, das vor einigen Jahren bereits Gewerbe-Neuanmeldern eine Orientierung bot. So könnten die Informationen bei der Anmeldung direkt an die Gründer geschickt werden. Auf gute Resonanz stieß auch der Vorschlag, angelehnt an die Ostthüringer „IHK Gründungsinitiative“ einen Wettbewerb für Gründungsideen auszuschreiben. Dabei könnten Teilnehmer an die Hand genommen werden. Erste Partner haben bereits während des Workshops Interesse bekundet. Aus Sicht des Gründernetzwerkes „Saxeed“ bedarf es zudem eines besseren Gründerklimas in Mittweida – mehr Artikel in den Medien, mehr Veranstaltungen sowie die Vorstellung von Gründern und Geschäftsideen könnten dabei etwas bewegen. Analog zum Gewerbering e.V. wurde zudem die Schaffung eines Stammtischs angestoßen, bei dem sich Industrie und große Gewerbetreibende regelmäßig über Themen und Initiativen zur Wirtschaftsbelebung austauschen. Nicht zuletzt wurden auch die Vorteile von Mittweida als Wirtschaftsstandort hervorgehoben: günstige Mieten und ein hohes Potential an qualifizierten Mitarbeitern.

Der Workshop „Nachhaltige Infrastruktur in Mittweida“ fand unter Leitung von Sebastian Killisch, Fachbereichsleiter Bau und Ordnung der Stadt Mittweida, und Michael Tanne, Geschäftsführer der REGIOBUS Mittelsachsen GmbH, in der Begegnungsstätte „1865“statt.
Dabei ging es nicht nur um Straßen- bzw. Nahverkehrsinfrastrukturen, sondern auch Strukturen im sozialen und kulturellen Bereich, die sich beispielsweise der demographischen Entwicklung anpassen müssten. So sollte das Ziel sein, auf allen Ebenen kundengerechte Angebote zu schaffen, also sowohl für Kinder als auch für Senioren. Wichtig war den Teilnehmern auch, dass die Talsperre und die Burg Kriebstein perspektivisch besser vermarktet werden. Ebenso vorgeschlagen wurde eine Kulturstätte in Mittweida, die tagsüber durch die Hochschule und abends mit einem kulturellen Programm multifunktional genutzt werden kann. Insgesamt wurde hervorgehoben, dass Investitionen in soziale Infrastrukturen wichtig seien, um neue Einwohner zu gewinnen und bestehende zu behalten. Bei der Debatte um die Parkplatzsituation in Mittweida sprach sich die Mehrheit der Teilnehmer für weniger Parkplätze aus; wichtiger seien der intelligente Ausbau der Anbindung beispielsweise an das Zentrum von Chemnitz und innovative Wege für individuelle Mobilität insbesondere für Schüler, Senioren und Menschen mit Behinderung. Für eine Verkehrsberuhigung über weitere Spielstraßen und 30er-Zonen wurde sich ausgesprochen. Auch die digitale Infrastruktur mit freiem Internet im Innenstadtgebiet wurde thematisiert sowie das Schaffen attraktiver Freiflächen im Stadtgebiet. Um den Dialog mit den Bürgern dauerhaft zu gestalten, sollten in Zukunft zudem vermehrt Einwohnerversammlungen stattfinden.

Im dritten Workshop „Bürger ins Zentrum – Eine attraktive Stadt für alle Altersgruppen“ sollte Mittweida im Hinblick auf die Ansprüche verschiedener sozialer Gruppen wie Kinder, Studenten, Flüchtlinge oder auch Senioren betrachtet werden. Unter Leitung von Dr. Tanja Korzer vom Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft Leipzig und Marco Ulbricht, freiberuflicher Stadtplaner aus Mittweida, ging es im Informationszentrum „T9“ unter anderem um Mehrgenerationshäuser, mehr gemeinsame Veranstaltungen von Stadt und Hochschule und um neue Konzepte in der Gastronomie oder beim Einzelhandel, wie zum Beispiel ein Kultur- und Lesecafé. Wichtig sei es auch, den Wohnraum neu zu denken und so attraktive Möglichkeiten für verschiedene Ansprüche zu schaffen. Öffentlicher Raum solle zudem verstärkt als Integrationsraum verstanden werden, wo sich Menschen mit unterschiedlichen Herkünften und Ideen begegnen. Eine Börse für junge Familien, die Unterstützer vermittelt, wurde ebenso vorgeschlagen wie ein vielfältigeres Nachtleben insbesondere für junge Menschen. Das Konzept aus Eberswalde wurde lobend erwähnt und als Möglichkeit auch für Mittweida ins Gespräch gebracht, dazu sollten auch noch mehr Straßencafés entstehen und Gründungsanreize geschaffen werden. In Zukunft sollen auch verstärkt Möglichkeiten gefunden werden, um Wachstumsimpulse sächsischer Großstädte wie Dresden, Leipzig oder Chemnitz auch für Mittweida zu nutzen.

Nach den Workshops versammelten sich die Forumsteilnehmer vor dem „1865“ zum Wintergrillen. Bei Glühwein und Kinderpunsch, Roster und Grillkäse wurde die Kreuzung Rochlitzer Straße/Poststraße kurzerhand zu einer kleinen Festmeile. Innen spielte anschließend die Band „Brothers of Feinripp“ Coversongs aus den vergangen 40 Jahren Musikgeschichte. Nach rund fünf Stunden endete das 2. Zukunftsforum und entließ seine Gäste mit vielen guten Ideen, mit Impulsen und hoffentlich der Motivation, auch in Zukunft für Mittweida etwas bewegen zu wollen. Die Zukunftsstadt Mittweida hat nun die Aufgabe, die zahlreichen Themen und Ideen zu einem Leitbild zusammenzufügen, das durch die Bürger der Stadt in den Veranstaltungen und auf Facebook mitentwickelt wurde. Im März findet dazu eine offene Werkstatt statt, bei der man den Entstehungsprozess des Leitbilds mitverfolgen kann.

Zukunftsstadt Mittweida im Wettbewerb

Das Konzept für die Zukunftsstadt Mittweida entsteht in Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, der Hochschule Mittweida und der Universität Leipzig. Die Kampagne ist Teil eines Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und wird durch dieses gefördert. Im ganzen Bundesgebiet haben sich 168 Städte für die erste Phase des Wettstreits der guten Ideen beworben. Nur 52 Städte wurden angenommen. In Sachsen haben sich neben Mittweida noch Dresden, Leipzig und Weißwasser für den Wettbewerb „Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt“ qualifiziert. Das Ziel ist es gemeinsam mit den Bürgern ein gesamtstädtisches Konzept für die Stadtentwicklung bis ins Jahr 2030 zu entwickeln.