Sukkot Mittweida 2025

Sukkot Mittweida 2025

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Die Kulturhauptstadt in der Hochschulstadt. Kunst, Kurs und Diskurs an der Hochschule.

Zwei Betrachterinnen spiegeln sich in den Scheiben eines Aquariums auf eine Stele, in das Wurzeln von Pflanzen von oben eintauchen.
Blicke auf eine Überlebenskünstlerin: "The Wanderer" von Michal Fuchs im Ludwig-Hilmer-Bau der Hochschule Mittweida.

„Under Grapes and Citrus Fruit“ eröffneten am Nachmittag des 5. Oktober die Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, Stadt und Hochschule Mittweida mit rund siebzig Gästen im Ludwig-Hilmer-Bau der Hochschule den „Sukkot Mittweida 2025“. Die Installation des in Berlin lebenden Künstlers Abie Franklin mit überdimensionalen Früchten schwebte vor der großen Treppe: die Etrog – eine Zitrusfrucht – und Trauben. Sie symbolisieren zugleich Säure und Süße. Am oberen Ende der Treppe fiel der Blick auf eine weitere Installation: „The Wanderer“ von Michal Fuchs aus Halle/Saale. In drei Stehlen wachsen Wurzeln der umgangssprachlich als „Wandernder Jude“ bezeichneten Pflanze hinter Glas sichtbar in das sie versorgende Wasser hinein. Die Pflanze verdankt ihren Namen bemerkenswerten Eigenschaften: Sie ist eine Überlebenskünstlerin, die fast überall gedeiht, sich unterschiedlichsten Umgebungen anpasst und immer wieder an den verschiedensten Orten Wurzeln schlägt.

Im Lichthof des Hauptgebäudes der Hochschule zeigte Moran Sanderovich bewusst Verstörendes: ihre Installation „In|Humans“. „Ich erforsche den Raum zwischen Anziehung und Abstoßung, Mitgefühl und Wut", erklärt die Berliner Künstlerin. „Meine Arbeiten stellen visuell dar, wie Wunden und physische Traumata zu Waffen werden, die mehr Trauma erzeugen – den Kreislauf der Gewalt."

Nicht nur der Ludwig-Hilmer-Bau und dem Hauptgebäude der Hochschule: Vom 5. bis 12. Oktober waren zahlreiche Orte in der Hochschuldstadt Bühnen, Ateliers, Ausstellungsflächen und Begegnungsräume: von der Stadtbibliothek über leerstehende Läden bis zum städtischen Museum Altes Erbgericht“. Dort ist die Hauptausstellung „Uschpisin“ – aramäisch für „Gäste“ – des Sukkot Mittweida mit Werken der Künstler:innen noch bis zum 16. November zu sehen.

Die Hochschule Mittweida war Veranstalterin akademischer Beiträge zur Sukkot-Woche. Am Montag gab Margarete Füßer, Judaistin und Hebräischlehrerin aus Dresden, 21 Interessierten im Schnupperkurs Hebräisch Einblick in Geschichte, Alphabet und Wortschatz des Ivrit, des modernen Hebräisch.

Studierende der Sozialen Arbeit haben sich gemeinsam mit Akteur:innen des Sukkot Mittweida in einem Blockseminar kritisch mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) auseinandergesetzt – insbesondere mit Antisemitismus sowohl in historischer als auch in aktueller gesellschaftlicher Perspektive.

Zwei Jahre Krieg – Dialog am Jahrestag des Überfalls

Höhepunkt war der Dialog Kontrovers Extra am 7. Oktober. Das Institut für Kompetenz, Kommunikation und Sprachen (IKKS) der Hochschule hat den Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel bewusst gewählt, um zu fragen: „Naher Osten – Wege aus der Gewalt?“. Nirit Sommerfeld, deutsch-israelische Schauspielerin und Sängerin, und Dr. Andreas Brämer, Historiker und Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, diskutierten moderiert von Professor Christoph Meyer Prorektor Bildung der Hochschule.

Auch ohne die krankheitsbedingt fehlende Alena Jabarine, deutsch-palästinensische Journalistin und Autorin, diskutierte das Podium kontrovers, vor allem im Blick auf die Rede vom Völkermord und eine waffenlose Befriedung des Nahen Ostens. Die spannende Diskussionsrunde bewegte sich dabei zwischen historischen Ursachen, aktuellen Krisen und bewegenden persönlichen Geschichten und der Suche nach einer gemeinsamen Sprache jenseits von Schwarz-Weiß-Mustern. Gemeinsamer Mittelpunkt war der Wunsch nach Gerechtigkeit, der Ruf nach echten Lösungen und die Verantwortung aller Beteiligten im Streben nach Frieden.

Darüber hinaus hatte die Hochschule den Sukkot Mittweida 2025 zum Anlass genommen, eine Poster-Ausstellung zur Geschichte der Wissenschaft in Israel in zu zeigen, die die Deutsche Technion Gesellschaft e.V. Berlin zur Verfügung gestellt hat. Das Technion in Haifa wurde wie die Hochschule Mittweida auch einmal als „Technikum“ gegründet und ist die älteste Universität in Israel. Die Ausstellung war im Foyer des Gerhard-Neumann-Baus der Hochschule zu sehen, benannt nach ihrem jüdischen Absolventen (Studium 1936 bis 1938) und nach seiner Einwanderung in die USA erfolgreichen Entwickler von Strahltriebwerken.

Sukkot – temporäres Zuhause in der Hochschulstadt Mittweida

Anlass und zeitlicher Rahmen für die Woche war das jüdische Laubhüttenfest „Sukkot“. Es ist das jüdische Erntedankfest, ein fröhliches Fest, an dem nicht nur für die Ernte gedankt, sondern auch an die Versorgung während der Wüstenwanderung ins „gelobte Land“ erinnert wird, während der die Menschen in Laubhütten – „Sukkot“ – wohnten.

In Mittweida wurde während der Woche die Pergola an der Direktorenvilla der Hochschule symbolisch zu Sukka. Sie steht für das Temporäre, das Zurücklassen, aber auch für Gastfreundschaft, Gemeinschaft und Toleranz. In diesem Sinne wurde Woche ganz Mittweida zur Sukka, zum einladenden vorübergehenden Zuhause für die mehr als zwanzig Künstler:innen, ihre Kunst und ihre Gäste. Der Sukkot Mittweida 2025 machte so jüdische Geschichte und Gegenwart über Theater, Musik, Film, Literatur, Performance, Essen und Diskurs erfahrbar.