Kinder im Mittelpunkt: Sozialraum erweitern und Netzwerk stärken

Kinder im Mittelpunkt: Sozialraum erweitern und Netzwerk stärken

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Studium und Praxis verbunden: Studierende der Sozialen Arbeit organisieren Outdoor-Technik-Camp für Kinder

Gruppenbild auf einer Wiese vor einem Gebäude mit rund 30 Personen, darunter überwiegend Kinder zwischen 8 und 12 Jahren. Die meisten stehen jubelnd mit nach oben gestreckten Armen, andere sitzen auf dem Boden, einige liegen.
Im gemeinsamen Jubel mit den Kindern kaum zu entdecken: Betreuer:innen des Outdoor-Technik-Camps 2023 der Hochschule Mittweida. (Foto: Markus Lohse)

Für die einen waren es Schulferien, für die anderen Semesterferien. Verbunden hat beide das Kinder- und Jugend-Outdoor-Technik-Camp vom 24. bis 28. Juli im soziokulturellen Zentrum Müllerhof in Mittweida. Das Camp für 22 Schüler:innen von 8 bis 12 Jahren verbindet noch mehr: technische Workshops drinnen, erlebnispädagogische Abenteuer draußen, Nächte unterm Sternenhimmel, einen Ausflug „unter Tage“, aber zum Beispiel auch gemeinsames Zusammenstellen des Speiseplans, Einkaufen und Kochen.

Für sieben Studierende der Sozialen Arbeit der Hochschule Mittweida schließlich waren die fünf Tage Höhepunkt eines Praxisprojekts, in dem sie das Camp vorbereitet hatten und nun mitbetreuten. Überhaupt gäbe es das Camp gar nicht ohne die Verbindung zur Hochschule. In der inzwischen dritten Auflage seit 2021 ist die organisatorische und erlebnispädagogische Vorbereitung des Kinder- und Jugend-Outdoor-Technik-Camps Inhalt einer Lehrveranstaltung. Auf der Seite der Fakultät Soziale Arbeit findet sich ein Bericht mit vielen Bildern.

Wir schauen hier einmal hinter die Kulissen. Frederike Bremer, die 25-jährige Masterstudentin der Sozialen Arbeit, ist von Anfang an dabei: erst als Bachelorstudentin, dann als studentische Hilfskraft und schließlich als Dozentin – eine typische „Karriere“ an der Hochschule Mittweida, die ihren Studierenden die Chance bietet, früh in die Forschung und die verantwortliche Mitarbeit in Projekten einzusteigen.

Frau Bremer: Sie organisierten und betreuten das Camp in diesem Jahr zum dritten Mal mit: Ist da schon Routine eingezogen?

Im Gegenteil: Jedes Jahr ist es wieder neu und spannend. Da sich die Gruppe der Studierenden und die Gruppe der Kinder immer wieder ändert, muss man sich auch immer wieder neu auf alles einlassen. Ich freue mich aber auch jedes Mal, wenn ein paar Kinder wiederkommen und wir so auch junge camp-erfahrene „Expert:innen“ dabei haben, die die anderen Kinder positiv mitreißen, die das erste Mal teilnehmen. Bis jetzt fand ich jedes Jahr toll. Ich hatte immer viel Spaß und bin sowohl inspiriert als auch voller Freude aus der Woche gekommen.

Sie machen das nicht alleine. Unter anderem sind Studierende im Rahmen einer Lehrveranstaltung beteiligt.

Ja, das Projekt lebt von vielen ehrenamtlichen und institutionellen Unterstützer:innen, die zum Teil auch schon länger dabei sind. Aber in unserem diesjährigen insgesamt 12-köpfigen-Kernteam waren sieben Bachelor-Studierende der Sozialen Arbeit dabei. Sie hatten sich für die begleitende Lehrveranstaltung im Modul „Kontroversen-Teilhaben-Gestalten“ eingeschrieben und waren dann ab März voll in das Projekt involviert. Ganz im Sinne von „Students as Partners“ hieß es sich einzubringen und mitzumachen, jede:r mit seinen/ihren Stärken und Kompetenzen – beispielsweise verschiedene Methoden der Öffentlichkeitsarbeit auszuprobieren, Spenden und Sponsoren zu finden, Wochenplan, Personalplan und Risikomanagement aufzustellen und vieles mehr.

Daneben beschäftigten sich die Studierenden natürlich mit erlebnispädagogischen Methoden, die ja ein zentraler Aspekt des Camps sind. Sie mussten zunächst in der Theorie durchdacht und dann auch praktisch in der Camp-Woche als pädagogische Angebote für die Kinder umgesetzt werden. Die größte Lernerfahrung passiert dann im Verlauf dieser Woche. Die Studierenden sind Teil des Camp-Teams und übernehmen Verantwortung für die Kinder und bestimmte Aufgabenbereiche. Jede/r einzelne Studierende gestaltet den Camp-Alltag mit seinen/ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten kreativ mit und trägt damit zum Gelingen der gesamten Woche bei. Wichtig auch: Im Anschluss an das Camp können sie in einem Reflexionsbericht den Camp-Prozess und ihre Methodenanleitung reflektieren. So lassen sich aus der konkreten praktischen Erfahrung Erkenntnisse für sich selbst und die spätere Arbeit mitnehmen. Der Bericht ist auch Hauptbestandteil der Prüfungsleitung im Modul.

Welche Erkenntnisse bringt das Camp-Projekt den Studierenden?

Die Studierenden lernen hautnah die Themen der Sozialen Arbeit kennen und durchlaufen ein Projekt von Anfang bis Ende. Im Laufe der Camp-Vorbereitungen und der Durchführung werden viele Themen aus dem Studium relevant und damit auch an der Praxis erprobt: Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit in der Sozialen Arbeit, Finanzierungs- und Förderstrukturen im sozialen Bereich, soziale Teilhabe, Erlebnispädagogik, Anleitung, Reflexion, Kinder- und Jugendarbeit, Arbeiten im Team und vieles mehr. Das ist das eine.

Genauso wichtig sind individuelle Erkenntnisse oder Erlebnisse. Das Camp ermöglicht durchaus Grenzerfahrungen und das Verlassen der Komfortzone, was die Studierenden in ihren Skills im Feld der Sozialen Arbeit stärken kann. Wie das jede:r Einzelne wahrnimmt und die Erlebnisse verarbeitet, kann ich schwer sagen, da es höchst individuell ist. Was ich sagen kann, ist, dass viele Herausforderungen in der Woche auf einmal bewältigt werden müssen, was das Lernen sehr intensiv machen kann. Ich bin überzeugt davon und spreche aus eigener Erfahrung, dass die Lehrveranstaltung mit ihrer Campwoche die Studierenden persönlich und auch beruflich weiterbringt. Es lassen sich so viele Themen aus verschiedenen Modulen des Studiums verbinden – und das Schöne ist: auch direkt anwenden.

Jetzt müssen wir aber auch noch einmal auf die Ziele schauen, die das das Camp für die Kinder hat.

Ganz klar, und jetzt antworte ich als Sozialarbeiterin, wollen wir die Menschen aus unserer Region stärken. Diese Stärkung wollen wir vor allem bei den Kindern erreichen. In unserem Camp werden interessensgeleitete technische Workshops mit erlebnispädagogischen Elementen verbunden. Wir möchten also zum einen bei jungen Forscher:innen die Neugier und das Interesse an Technik und Handwerk wecken. Zum anderen wollen wir durch die erlebnispädagogischen Angebote den Kindern einen Erfahrungsraum bieten, um ihre eigenen Stärken und Schwächen herauszufinden und möglichst gemeinsam dafür durch Reflexion Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Da es sich um ein Outdoor-Camp handelt, nehmen lokale Naturgegebenheiten einen wesentlichen Bestandteil bei der Umsetzung der Übungen und Spiele ein.

Unser Ziel ist es hier auch, dass die Kinder durch das stetige Verbundensein mit der Natur, das Bewusstsein für ihre Umwelt (weiter-)entwickeln und Handlungsmöglichkeiten erkennen, wie sie diese aktiv mitgestalten können. Die schon erwähnte gemeinsame Planung der Mahlzeiten, das dafür nötige Einkaufen, Zubereiten des Essens sind Beispiele. Durch unseren niedrigen Teilnahmebeitrag möchten wir auch Kindern aus finanziell schwachen Familien den Zugang, eine Teilhabe, ermöglichen und durch unsere Aktionen ihren Sozialraum erweitern und ihr Netzwerk stärken.

Technik und Erlebnispädagogik so miteinander zu verbinden, liegt nicht sofort auf der Hand. Wie kam’s dazu?

Das hat sicher mit den „Erfindern“ zu tun: Vor fünf Jahren hatte Manfred Glätzner, Ingenieur am Laserinstitut Hochschule Mittweida, die Idee für ein Technik-Camp für Kinder. Die Zusammenarbeit mit der Sozialen Arbeit war von Anfang an Teil dieser Idee. Markus Lohse, Doktorand an unserer Fakultät, hat die Idee aufgenommen und 2019 das Grundkonzept in einem Forschungsprojekt für Studierende der Sozialen Arbeit weiterentwickelt. Mit dem Verein zur Wahrung der Kinderinteressen e.V. und seiner Vereinsvorsitzenden Karen Schleif hat das Projekt auch bald einen Unterstützer außerhalb der Hochschule gefunden. Weitere folgten.

Mich hat Markus Lohse 2019 auch sofort gewonnen. Als Markus damals das Forschungsprojekt uns Studierenden vorstellte, hatte ich direkt Ideen für die Umsetzung im Kopf. Schwerpunkte waren der Aufbau eines lokalen Camps mit lokalen Kooperationspartnern und das fakultätsübergreifende Arbeiten. Damit hatte er mich direkt gehabt. Zusammenhänge liegen bestimmt auch in meiner Kindheit. Ich bin selbst gerne zu Kinder- und Jugend-Camps mitgefahren und habe als Kind diese intensiven Tage immer sehr genossen und für mich und meine Entwicklung genutzt. Da ich mir während des Studiums ein Netzwerk auch außerhalb des Hochschulcampus aufbaute und mir die Stärkung unserer wunderbaren Region sehr am Herzen liegt, war es dann auch recht schnell klar, dass ich das Projekt weiter mitgestalte. Ja und dann war ich mitten im Projekt und konnte, aber wollte da auch nicht mehr raus. Die Erfahrungen haben meinen Wunsch gefestigt, auch später im erlebnis-/kindheitspädagogischen Bereich zu arbeiten.

Nach dem Camp ist vor dem Camp. Haben die Vorbereitungen für 2024 schon begonnen? Im Grunde ja:

Förderanträge müssen geschrieben werden, Absprachen mit den Kooperationspartnern getroffen werden, bevor es dann im Frühjahr wieder in die heiße Phase geht. Das Datum für das Camp 2024 steht auch schon fest: 15. bis 19. Juli. Wir überlegen auch, ein zweites Camp für ältere Kinder bzw. Jugendliche ins Leben zu rufen. Denn manche, die nächstes Jahr gerne wieder dabei wären, sind dann schon zu alt.

Das Technikcamp ist eines von vielen Beispiielen von gelingendem Wissenschafts-Praxis-Transfer an der Hochschule Mittweida – und das sogar fachübegreifend von Soziale Arbeit und Ingenieurwissenschaften.