Vernetzt: Sächsische Physiker und Mathematiker gestalten Zukunft ihrer digitalen Lehre

Vernetzt: Sächsische Physiker und Mathematiker gestalten Zukunft ihrer digitalen Lehre

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Was bedeutet es, die digitale Transformation in der Lehre umzusetzen? Und wie gelingt das in Physik und Mathematik? Genau darüber tauschten sich Hochschullehrer in Mittweida aus.

Vier Personen sitzen auf Stühlen in einem großen Raum und werden von Decken-Scheinwerfern beleuchtet. Im Hintergrund ist eine Powerpoint-Folie auf eine Leinwand projiziert, die den Titel „Digitale Lehre nach(?) Corona – lesson learned oder zurück auf Start?“ trägt.
Richard Börner (r.) moderierte beim Netzwerktreffen der Mathematiker und Physiker die Podiumsdiskussion mit David Nebel, Claudia Funke und Professor Guido Reuther (v.l.n.r).

Das Netzwerk Mathematik/Physik & E-Learning diskutierte am 14. September 2021 an der Hochschule Mittweida, wie das Studieren nach der Pandemie aussehen wird. Erstmals fand dieses Treffen hybrid statt: Neben 20 anwesenden Teilnehmer:innen folgten weitere 60 Interessierte der Veranstaltung online.

„Wir sind uns einig, dass digitale Lehre und E-Learning auch künftig eine bedeutende Rolle spielen werden. Insbesondere bei digitalen Prüfungen gilt es jedoch noch rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen“, sagt Professor Richard Börner, der das Netzwerktreffen gemeinsam mit seinen Kollegen Thomas Villmann und Alexander Horn organisiert hatte. „Das hat die Podiumsdiskussion am Nachmittag deutlich gezeigt: Unter anderem werden ‚mündliche‘ Online Prüfungen nicht ohne weiteres ohne Notfall-Prüfungsordnung über die nun weit verbreiteten Plattformen wie Zoom, BigBlueButton und Co. weiter stattfinden können. Ähnlich verhält es sich mit den ‚schriftlichen‘ Prüfungen, bei denen gerade im Fach Physik Lückentext- und Multiple-Choice-Prüfungen eher die zweite Wahl sind, da hier nach wie vor der Lösungsweg entscheidend in die Bewertung eingeht.“ Letzteres bedinge oft Online-Prüfungen mit großem Personalaufwand, um die Prüfungsaufsicht adäquat gestalten zu können. Die technische Umsetzung sei dagegen bei keinem ein großes Problem: „Die Prüfungsserver waren bei allen Teilnehmenden der Podiumsdiskussion stabil.“

Börner selbst moderierte die erstmals ins Netzwerktreffen integrierte Podiumsdiskussion, bei der Professor Guido Reuther von der HTWK Leipzig, Claudia Funke von der TU Bergakademie Freiberg und David Nebel von der HSMW ihre Erfahrungen schilderten. Unter dem Titel „Digitale Lehre nach(?) Corona – lesson learned oder zurück auf Start?“ diskutierten sie kritisch die Chancen und Grenzen der Digitalisierung der Lehre und von Online-Prüfungen in Physik und Mathematik.

Aktivierende Elemente in der digitalen Lehre

Zuvor standen beim Treffen Praxisbeispiele guter digitaler Lehre im Fokus: „Der Auftakt-Vortrag von Professor Robert Kellner war für viele von uns eine Art Paukenschlag“, so Börner. Der Professor der Technischen Hochschule Rosenheim gab den anwesenden Hochschullehrer:innen und Dozent:innen einen praktischen Einblick in seine Art der digitalen Lehre: Just-in-Time-Teaching (JiTT) und Peer Instruction (PI).

JiTT verbindet Selbststudien- und Präsenzzeit, indem Studierende vor der Veranstaltung online Fragen zum aktuellen Lernstoff beantworten. Kurz vor der nächsten Veranstaltung – just in time – sichten die Lehrenden die Ergebnisse und passen die nächste Einheit beispielsweise durch Wiederholung, Vertiefung oder eine spezielle Aufgabe an den Lernstand an.

Bei PI handelt es sich dagegen um eine Methode, die während einer Einheit Verständnisschwierigkeiten aufzeigen soll. Nach einem inhaltlichen Impuls seitens der Dozierenden beantworten die Studierenden während der Veranstaltung z. B. eine Multiple-Choice-Frage. Der Anteil richtiger Antworten wird eingeblendet. Anschließend erhalten die Studierenden wenige Minuten Zeit, um ihre:n Nachbar:in von ihrer Antwort zu überzeugen. Dies ist die Peer-Instruction. Dann folgt eine weitere Abstimmung samt Antwort-Statistik, bei der der Anteil richtiger Antworten erfahrungsgemäß überwiegt. Alternativ kann eine Diskussionsrunde genutzt werden, um das Verständnis weiter zu verbessern. Grundlegend geht es dabei darum, die Studierenden zu aktivieren und aus der Rolle von passiven Zuhörenden zu befreien.

„Die Lerninhalte aktiv zu reflektieren und selbst zu interpretieren, verbindet das neue Wissen wesentlich besser mit dem vorhandenen Vorwissen“, erklärt Börner. „Genau deshalb ist diese Methode so interessant für das digitale Lehren, weil die Dozierenden oft ihre Studierenden gar nicht sehen und so die visuelle Rückmeldung fehlt. Ohne diesen Rückkanal braucht es Alternativen, um auf die Studierenden eingehen und diese aktivieren zu können.“

Gemeinsamer Aufgaben-Pool für sächsische Hochschulen entsteht

Das regelmäßige Netzwerktreffen, das im März 2022 an der TU Bergakademie Freiberg stattfinden wird, dient neben der Weiterbildung und Inspiration gleichfalls der Vernetzung und Kooperation der sächsischen Dozent:innen. Einer der Hauptbestandteile des Treffens an der HSMW war deshalb die Entwicklung der gemeinsamen Aufgabenpools in Mathematik und Physik. Sie dienen als Grundlage für Selbsttests und Online-Prüfungen im Freistaat. Während die Mathematiker:innen sehr weit sind, soll der Aufgabenpool Physik in den kommenden Monaten im Fokus stehen. Um sich hierzu in kleineren Gruppen abzustimmen, nutzten die Teilnehmer:innen nach der Mittagspause Breakout Sessions.