Kalenderblatt: Als die Elektrotechnik nach Mittweida kam

Kalenderblatt: Als die Elektrotechnik nach Mittweida kam

HSMW-News, HSMW-Top-News

20 Jahre nach der Eröffnung des ersten Gebäudes kann das Technikum im Jahr 1894 ein zweites Gebäude einweihen. Das „Elektrotechnische Institut“.

Seinen urspünglichen Titel trägt das als Elektrotechnisches Institut errichtete Haus 2 bis heute an der Fassade, auch wenn es mittlerweile nach Alfred Udo Holzt benannt ist.
Seinen urspünglichen Titel trägt das als Elektrotechnisches Institut errichtete Haus 2 bis heute an der Fassade, auch wenn es mittlerweile nach Alfred Udo Holzt benannt ist.

Dieses Haus am Mittweidaer Galgenberg mit der für ein Technikum ungewöhnlichen Bezeichnung trägt den Veränderungen der industriellen Praxis Rechnung. Sein Bau erfolgte vor 125 Jahren in einer Zeit, als die Elektrotechnik begann, für die Industrie an Bedeutung zu gewinnen und sich zur Wachstumsbranche zu entwickeln.

Das Technikum beschloss das zu tun, was die Hochschule Mittweida bis heute immer wieder erfolgreich umsetzt: Entwicklungen voraussehen, frühzeitig auf den neuen Bedarf reagieren und die Lehrinhalte wie auch die Unterrichtsräume der Nachfrage anpassen. In den Programmen ab 1892 nennt sich das Technikum folgerichtig „Maschinen-Ingenieur-Schule zugleich Schule für Elektrotechniker“. Der Anteil der elektrotechnischen Lehrinhalte in der Maschinenbauausbildung nimmt zu. Ab 1898 erfolgt eine eindeutige Trennung der Ausbildung von Maschinenbau- und Elektrotechnik-Ingenieuren.

Industrie fordert Praxis - Mittweida liefert

Die neuen Maßstäbe spiegeln sich sowohl im Lehrprogramm als auch in der Ausstattung der Laboratorien wider. So besteht seitens der Industrie der Anspruch, das Verhältnis von theoretischen Inhalten und anwendungsnahen Übungen zu verändern. Sie möchte, dass die Ingenieure die Gegebenheiten in den Unternehmen schneller erfassen und damit kreativ nutzen können. Das spiegelt sich in der Stundenverteilung des Lehrplanes für Elektrotechnik wider.

Der Hapthörsaal des Elektrotechnischen Instituts bot zeitgemäße technische Ausstattung. Quelle: Hochschularchiv Mittweida, Bildarchiv U_9_000

40 Semesterwochenstunden (SWS) für Elektrotechnik und 68 SWS für Maschinenbau werden mit 52 SWS für Grundlagenausbildung ergänzt. Zusätzlich findet am Ende des Studiums ein elektrotechnisches Praktikum mit 40 Versuchen statt, die auf die auf die Belange der Industrie zugeschnittenen sind.

Direktor Holzt schreibt im Vorwort zu seinem Buch Schule des Elektrotechnikers zu seinem Anliegen: Wir waren bemüht, „die theoretischen Entwicklungen kurz und leicht fasslich darzustellen und auf das für die Praxis unumgängliche zu beschränken.“

Elektrotechnisches Institut: 26 Räume für anwendungsnahe Lehrinhalte

Mit seiner Fertigstellung verfügt das Institut über 26 Räume für Laboratorien, Sammlungen, Werkstätten und Arbeitszimmer für die Lehrkräfte. Im Haupthörsaal für Elektrotechnik steht ab sofort ein 6 Meter langer Experimentiertisch, über dem ein Laufkran angeordnet ist.

Die Übungen im Laboratorium für Physik beinhalten Mechanik, Akustik, Wärmelehre und Optik. In den elektrotechnischen Laboratorien können Experimente zur Messung elektrischer Größen, Versuche zur Fotometrie, Isolationsprüfungen, Eichung von elektrischen Messinstrumenten und Kraft- und Drehmomentmessungen an Elektromaschinen erfolgen. Ein weiteres Segment belegen die Laboratorien für Fernmelde-, Hochfrequenz- und Funktechnik. Außerdem gehören zur Ausstattung Zeichensäle für Konstruktionsübungen, zahlreiche Sammlungen und ein Hörsaal für Chemie.

Die Einheit zwischen Inhalt und Form drückt sich auch in der repräsentativen Architektur des Elektrotechnischen Institutes aus. Das neue Haus lässt Alfred Udo Holzt ab 1892 nach einem Entwurf von Johann Nepomuk Bürkel bauen. Der Architekt ist Lehrer am Technikum.

Der Besucher betritt das Haus über eine breite Freitreppe durch ein wuchtiges, ornamental gestaltetes Portal. Die zur Straße gewandte Seite bildet eine neoklassizistische Schmuckwand. Besonders ins Auge fallen die Figuren der Elektra und die des Hephaistos des Karlsruher Bildhauers Stockmann. Sie symbolisieren die Elektrotechnik und den Maschinenbau.

Das frühere Elektrotechnische Institut steht auf dem Galgenberg und ist bis heute umgeben von Bäumen und Grün.Eine von zwei Figuren an der Fassade zeigt Hephaistos, den griechischen Gott des Feuers und der Metallkünste; die andere ist Elektra.

Weiterführende Literatur zum Artikel:

  • Domschke, J.P., Hahn, A., Hofmann, H., Saß, K. Stascheit, M. Stascheit, W.: 100 Jahre Elektrotechnisches Institut für die Ingenieurausbildung in Mittweida, Hrsg. Der Rektor, Hochschule für Technik und Wirtschaft Mittweida, 1994
  • Domschke, J.P., Hofmann, H., Stascheit, M. Stascheit, W.: Johann Nepomuk Bürkel : Lehrer am Technikum, Architekt für Mittweida, Unternehmer in Winterthur, Hrsg. Hochschule Mittweida, Stadtverwaltung Mittweida, 2007

    Unsere Kalenderblätter blicken auf die Geschichte der Hochschule Mittweida. Anhand aktueller Anlässe zeichnen wir bedeutende Meilensteine der Hochschulgeschichte nach.

    1. Erich Schleichers Idee der praktischen Elektronik-Technologie
    2. Bernhardt Schmidt, der weltberühmte Astro-Optiker aus Mittweida
    3. Carl Georg Weitzel: Der Mann mit dem richtigen Konzept
    4. Elektrotechnisches Institut: Als die Elektrotechnik nach Mittweida kam